Komm, tanz mit mir (Part I)

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Seit meinem siebten Lebensjahr tanze ich. Das kam so, weil ich in diesem Alter von einer Freundin in ihre Ballettklasse mitgeschleppt wurde und ihre Ballettlehrerin sofort die Gelegenheit am Schopf packte, mich in ein rosafarbenes Trikot zu stecken und mich überschwänglich zu loben, wieviel Talent ich doch für das Balletttanzen hätte. 
Dass ich abends, nachdem ich wieder zuhause abgesetzt wurde, natürlich sofort zu meiner Mutter ging, um ihr von meinem Erfolgserlebnis zu erzählen, war vorprogrammiert, würde ich sagen. Und so kam es dann, dass ich anfing, Ballettstunden zu nehmen.
Anfangs ging es einmal die Woche ins Ballettstudio, dann, um mein Talent stärker zu fördern, zweimal die Woche, und irgendwann an drei Tagen die Woche, nachmittags nach der Schule und samstagmorgens. Da wurden dann fleißig Pliés, Tendus, Grand Battements und Pirouetten geübt. Manchmal so eifrig, dass ich nach dem Training zittrig in der Umkleide saß und mir so schlecht war vor lauter Anstrengung, dass ich nichts mehr essen konnte oder wollte. 

Nach einigen Jahren in jener ersten Ballettschule wurde es mir, und vermutlich auch meinen Eltern, zu viel. Die Fahrt zu meinen Ballettstunden betrug jedes Mal ca. 30 min mit dem Auto. Dreimal die Woche, später dann zusätzlich regelmäßige Workshops, Trainingswochenenden, und stundenlange Probentage an den Wochenenden, wenn Aufführungen und Wettbewerbe anstanden. Das alles natürlich in Kombination mit Ballettkleidung, die regelmäßig erneuert werden musste, Kostüme für all die erwähnten Veranstaltungen, Prüfungsgebühren, Fahrtkosten. Aus heutiger Sicht frage ich mich, wie das alles ging, immerhin war ich als eines von vier Kindern nicht das einzige, das ein Hobby haben wollte und irgendwo hingefahren werden musste. Wenn ich das jetzt so niederschreibe, muss ich auch das hier mal aufschreiben: Danke Mama und Papa, dass ihr das alles mitgemacht und möglich gemacht habt! 

Nach einem Wechsel der Ballettschule ging es etwas ruhiger weiter, in einem ganz anderen, viel weniger leistungsorientierten Umfeld. Hier wurde ich nicht weniger gefördert, aber auf eine ganz andere, individuellere Art und Weise. Zwar ging auch hier der regelmäßige Unterricht in derselben Frequenz weiter, auch hier gab es Prüfungen und Weihnachtsaufführungen, aber der Unterricht, in der Art wie ihn meine dortige Ballettlehrerin gestaltete, unterschied sich grundlegend. Wo vorher viel Wert darauf gelegt wurde, möglichst gut in das Idealbild einer Balletttänzerin zu passen, das heißt, maximal ausgedrehte Beine, maximal gestreckte Füße und eine hohe Flexibilität, zudem Spitzentanz ab einem relativ jungen Alter, gab es jetzt das Kontrastprogramm. Spitzentanz erst, wenn sicher war, dass die Fußknochen nicht mehr weich waren, um Fußdeformationen zu vermeiden. Anatomisches Wissen vermittelt bekommen in jeder einzelnen Ballettstunde, damit wir selbst wussten, was mit unserem Körper passiert und was gesund und ungesund ist. Ballettstunden, die an uns angepasst waren, wenn zum Beispiel im Sommer extrem hohe Temperaturen waren, oder wir alle aus der Schule kamen und keine Energie mehr hatten. Dann wurden unsere Übungen angepasst, der Kreislauf nicht zu sehr hochgefahren oder auch mal eine "Theoriestunde" eingeschoben, in der wir über bestimmte Übungen sprachen, Muskelgruppen besprochen und erklärt wurden, Musikstile angehört oder ausprobiert wurden, und und und. 

Diese Form des Unterrichtens ist ungewöhnlich und ist mir in all den darauffolgenden Jahren nie wieder begegnet. Ich habe Einblicke in viele private Ballettschulen bekommen, viele verschiedene Lehrer gesehen und kennengelernt, aber diese Art, Tanz zu lernen, habe ich nirgendwo sonst gefunden. Es geht darum, Eigenverantwortung zu erlernen, dir selbst und deinem Körper gegenüber. Ein Gefühl dafür zu entwickeln, was mit deinem eigenen, individuellen Körper möglich ist, auch zu lernen, was nicht möglich ist und nicht erzwungen werden kann, das ist wichtig. Das Erlernte in den Alltag zu übertragen, irgendwann, ohne es zu merken, die eigene Haltung zu korrigieren, Muskeln anzuspannen, um nicht mit krummem Rücken im Bus zu stehen oder im Unterricht zu sitzen. Genau zu wissen, warum man niemals ohne Aufwärmen trainieren sollte oder dem Körper Zeit geben muss, eine Verletzung heilen zu lassen. 

to be continued...

(Foto: https://twitter.com/ballerinaprjct) 

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